Mit Gisela Breitling verband mich ein intensiver Austausch, der zu einer jahrelangen Zusammenarbeit führte, indem wir die Ausstellung -Das Verborgene Museum- durchsetzten und 1987/88 in der Akademie der Künste Berlin, die im Rahmen der 750 Jahresfeier Berlin realisierten. Daran anschließend den Verein „Das Verborgene Museum“ gründeten. Kennengelernt habe ich Gisela Breitling während der Vorbereitung zu der Ausstellung - Künstlerinnen International 1877-1977. Neben dem feministischen Engagement verband uns auch das Interesse an der figurativen Malerei und wir wertschätzten uns gegenseitig in der ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand und der Figur im malerischen, zeichnerischen Werk. Dieses Interesse zeigt sich in dem Beitrag von Gisela zu dem Katalog von 1985 über meine Arbeit.Vorbereitungen zu der Ausstellung zur 750 Jahresfeier Berlin.
Vorbereitungen zu dem Ausstellungs - Projekt zur 750 Jahresfeier Berlin
Am Rande einer Veranstaltung traf ich Gisela und ich wies darauf hin, dass es zu der bevorstehenden 750 Jahresfeier Berlin ein Frauen-Kunst-Projekt geben sollte. Wir blieben diesbezüglich im Gespräch. Wir waren orientiert auf das individuelle Werk von Künstlerinnen, deren Vielfalt der Gestaltungen wir entdecken und öffentlich machen wollten. Konzentrieren wollten wir uns auf die klassischen Formate: Malerei, Grafik und Skulptur. Das Vorhaben sollte die Situation der Künstlerinnen herausarbeiten und auch einen Bezug zu Berlin aufweisen.
Das Verborgene Museum, ein politisches Projekt
Für Gisela und mich war das Fehlen der Frauen in der Kunst eine politische Frage. Wir entschieden uns, die Berliner öffentlichen Sammlungen nach Werken von Frauen durchsuchen zu wollen. Da wir davon ausgingen, dass sich die erworbenen Arbeiten von Frauen, wenn überhaupt vorhanden, sich in den Archiven befänden. Die Werke unentdeckt und verstreut im Verborgenen existieren - entstand der Arbeitstitel: DAS VERBORGENE MUSEUM. Wir stellten die Fragen: Nach den Kriterien, nach denen die Werke von Frauen gesammelt wurden, wie hoch ist ihr Anteil an der künstlerischen Produktion - früher und heute - und wie werden die Museen diesem Anteil gerecht.
Mit einem Konzept über die Recherchen in den Berliner Museen und einer Ausstellung dieser Werke machten wir uns auf die Suche nach verantwortlichen Politikerinnen, die das Projekt fördern sollten. Nach vielen Vorsprachen wurde uns immer ihr wohlwollendes Interesse versichert, doch die Bereitschaft für eine Realisierung oder finanzielle Mittel fand sich nicht. Die damalige amtierende Frauen-und Jugendsenatorin schlug eine Ausstellung in Bezirksbibliotheken vor. Damit gaben wir uns nicht zufrieden. Aufgrund meiner Erfahrung mit der Ausstellung Künstlerinnen - International 1977 -, die im Rahmen der Neue Gesellschaft für bildende Kunst realisiert wurde, wandten wir uns an die NGBK.Wir bemühten uns, die anderen Projektgruppen und die gesamte Mitgliedschaft zu überzeugen.
Gegenüber dem Projekt Künstlerinnen International waren wir in dem Vorteil, das 2te Frauenprojekt zu sein und nach dessen großen Publikumserfolg konnte das Thema nicht mehr mit „unbedeutend“ abgetan werden. Dennoch stieß die Tatsache, dass eine Analyse und Ausstellung von 2 Künstlerinnen initiiert auf Skepsis. Ähnlich wie auch bei - Künstlerinnen International - wurde unsere Kompetenz angezweifelt. Der wahre Künstler sollte unpolitisch sein. Als sei Genialität mit Weltfremdheit verbunden. Die Kunstgeschichte beweist eher das Gegenteil, innovative Prozesse in der Kunst wirkten auch gesellschaftsverändernd. Dass Politik die Kunst verdirbt, ist ein vergiftetes Lob, es spaltet und manipuliert. Viele Initiativen sind der Genialität von „Dilletanten“ zu verdanken, die einen unverstellten Blick auf die Sache richteten und die Bodenständigkeit besaßen, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Aber die Zeit hatte sich doch geändert und wir trafen in der NGBK auf kompetente, engagierte Mitstreiterinnen Dr.Ingrid Wagner Kantuser und Renate Flagmeier, zusammen bildeten wir 1985 die Arbeitsgruppe. Bei der ersten Vorstellung wurde die Projektgruppe von der Vollversammlung eingesetzt und musste nicht wie bei - Künstlerinnen International - ein 2tes mal antreten. Andere Kunsthistorikerinnen schlossen sich uns an, die mit der Bestandsaufnahme in den Sammlungen begannen.
Die Arbeitsgruppe bestand aus: Gisela Breitling - Renate Flagmeier - Susanne Gerber - Margaret Holz- Evelyn Kuwertz - Elke Messer - Julia von Randow - Ingrid Wagner-Kantuser Gisela und Renate Flagmeier schreiben in dem Vorwort zu dem Katalog das Verborgene Museum 1987: „Vorausgegangen waren den 2 jährigen Recherchen ein mühsamer Kampf um die Finanzierung des Projekts, das -nicht von ungefähr- von den beiden Malerinnen Gisela Breitling und Evelyn Kuwertz initiert worden ist. gerade sie haben, als ausübende Künstlerinnen, ein besonderes Interesse daran, eine weibliche Kunsttradition sichtbar zu machen, und sie sind in besonderem Maß betroffen von dem Mangel an weiblichen Vorbildern.“
Gründung des Vereins Das Verborgene Museum
Kunsthistorikerinnen der Arbeitsgruppe haben über 2 Jahre die Bestände der Werke von Künstlerinnen in den Berliner Museen recherchiert, wegen der zur Verfügung stehenden, geringen finanziellen Mittel und des Zeitdruckes war nur eine fragmentarische Bestandsaufnahme möglich. Immerhin konnten 600 Namen und Lebensdaten von Künstlerinnen ermittelt werden. Die Fakten lagen vor und die Realisation der Ausstellung in der Akademie der Künste- am Hanseatenweg und des Kataloges stand bevor. Es wurde die Fülle des Materials und auch die Lücken, die unbeantworteten Fragen an die Lebensgeschichten und Werkeinordnungen der Künstlerinnen offensichtlich. Es zeigte die jahrhundertelange Vernachlässigung, die wir als eine Aufforderung zu einer weiterführenden, grundlegenden Forschung verstanden, die in einer institutionellen Form fortgesetzt werden müßte.
Ich wohnte in der Pestalozzistraße 99a, gegenüber in der Schlüterstrasse bemerkte ich im Hof lehrstehende Räume. Ich beriet mich mit der befreundeten Anwältin Alexandra Goy und sie schlug vor, einen Verein zu gründen. Wir verhandelten mit dem Besitzer des Hauses, er war der Sache gegenüber aufgeschlossen. Ich sprach interessierte Freundinnen an, an der Vereinsgründung mitzuwirken, die Gründerinnen waren: Gisela Breitling, Cecilia Boisié, Alexandra Goy, Birgit Kleber, Evelyn Kuwertz, Tina Thürmer-Rohr.
Aus Erfahrung wissen wir um die Fragilität solcher Projekte, die nur aus dem persönlichen Einsatz heraus außerhalb der institutionellen Bereiche agieren. Deshalb macht es mich froh, dass durch die Verabschiedungen der Initiatorinnen: Ich ende der 90er-Jahre, um mich nach fast 30 Jahren feministischen Engagements, auf meine Kunst zu konzentrieren, Gisela, vor einigen Jahren aus gesundheitlichen Gründen und seit einem Jahr für immer - diese Initiative nicht gescheitert ist sondern von Elisabeth Moortgart und Marion Becker erfolgreich weiter geführt wurde und Das Verborgene Museum seinen Platz in den Berliner Kultureinrichtungen hat.
Dennoch ist das Verborgene Museum nur punktuell wirksam. Verdienstvoll und notwendig, kann aber die Problematik nicht abdecken, auch mit einem höheren Etat und größeren Räumen wäre nicht zu leisten, was gemessen an dem Umfang notwendig wäre. Es ist die Aufgabe der Museen, eine umfassende, spezifische Forschung durchzuführen, Werkübersichten und Lebensläufe von Frauen aufzuarbeiten damit sie einen festen Bestandteil bilden. An die Museen-Leitungen muss sich die Forderung richten, für eine adäquate Präsenz der Werke von Künstlerinnen zu sorgen.Werkübersichten und Lebensläufe von Frauen aufzuarbeiten, damit sie einen festen Bestandteil bilden. An die Museen-Leitungen muss sich die Forderung richten, für eine adäquate Präsenz der Werke von Künstlerinnen zu sorgen.
Schlusssatz von Gisela und Renate im Vorwort des Kataloges: „Frauenausstellungen sind kein Indiz für weibliche Separierungswünsche, sondern Antwort auf männliche Ausgrenzungspolitik.“ Ich hoffe, dass dieser vor 30 Jahren geäußerte und leider heute noch gültige Satz bald zur Geschichte der Frauenbewegung gehört und aus dem Verborgenen ein - -Gegenwärtiges - Museum wird.Die Zusammenarbeit mit Gisela war immer konstruktiv. Wie schon erwähnt, bestand eine grundsätzliche Übereinstimmung, was die Einschätzung eines Werkes oder die politische Situation angeht. Begeistern konnte uns das Gelungene eines Gedankens, einer Arbeit - die Kunst. Bei der Betrachtung eines Werkes stiegen wir sogleich ein in eine detaillierte Analyse, es begann ein lustvoller Austausch über Inhalt, Form und Technik.
Evelyn Kuwertz, 12.03.2019 anlässlich des Gedenkens an GISELA BREITLING - 27. Mai 1939 - 12. März 2018 - im Verborgenen Museum Berlin